Schwarzer Büstenkopf auf braunem Marmorsockel

Lange Leihfrist – eine Büste von Heinrich Jobst (1874-1943) wiedergefunden

Veröffentlicht am 12. Dezember 2025

Wie erfolgreich Provenienzforschung durch Vernetzung und engen wissenschaftlichen Austausch sein kann, belegt das Wiederauftauchen einer Bronzebüste des Bildhauers Heinrich Jobst. Von 1907 wurde Jobst durch Großherzog Ernst Ludwig in die Künstlerkolonie Mathildenhöhe berufen und blieb dort bis 1914. Von ihm stammen in Darmstadt u.a. die Löwen vor dem Hessischen Landesmuseum (um 1914), das Liebig-Denkmal (1913) und das Leibgardistendenkmal am Schlossgraben (1928). Die Porträtbüste stellt den Keramiker Jakob Julius Scharvogel (1854-1938) dar. Bereits 1901 und 1904 hatte dieser seine Werke auf der Mathildenhöhe ausgestellt. Eine Spezialität von ihm war die monumentale Baukeramik. Ab 1904 baute Scharvogel die Großherzogliche Keramikmanufaktur auf, die 1906 ihren Betrieb aufnahm, aber 1913 wegen Unrentabilität geschlossen werden musste. Dennoch hat er in den Jahren seines Wirkens das Stadtbild Darmstadts entscheidend mitgeprägt. Im Jugendstilbad, im Hauptbahnhof und im Christoph-Lichtenberg-Haus (ehemals Haus Hagenburg, Umbau 1909-11) finden sich bis heute Bauteile aus der Keramikmanufaktur. Am bekanntesten sind heute die Bauplastiken an den Kuranlagen in Bad Nauheim.

Daher überrascht es nicht, dass Scharvogels von Jobst geschaffene Büste 1910 für das Großherzogliche Museum auf der Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes in Darmstadt durch Großherzog Ernst Ludwig erworben wurde. Als Leihgabe kam sie 1936/37 in die damals neu gegründeten Städtischen Kunstsammlungen Darmstadt auf die Mathildenhöhe und wurde im Landesmuseum nach 1945 versehentlich als Kriegsverlust verzeichnet. Alle Unterlagen zum Leihvorgang waren 1944 mit dem Museumsarchiv verbrannt.

Unterseite der Büste mit Inventarnummer PL 10:4
Unterseite der Büste mit der Inventarnummer des HLMD

Die Büste erfuhr ihre Wiederentdeckung durch die Provenienzforscherin am Institut Mathildenhöhe Darmstadt Shammua Maria Mohr, als sie sie im Depot autopsierte. Dabei stellte sie fest, dass die Büste eine Inventarnummer trug, wie sie in den Städtischen Sammlungen Darmstadts gar nicht vorkommt. Eine Kontaktaufnahme mit dem HLMD erfolgte und eine Recherche im dortigen Inventarbuch bestätigte, dass die Büste seit 1910 Eigentum des Museums ist.

Ein neuer Leihvertrag wurde abgeschlossen, so dass die Büste weiterhin von der Stadt Darmstadt verwahrt werden kann.

Dr. Udo Felbinger

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