Wie erfolgreich Provenienzforschung durch Vernetzung und engen wissenschaftlichen Austausch sein kann, belegt das Wiederauftauchen einer Bronzebüste des Bildhauers Heinrich Jobst. Von 1907 wurde Jobst durch Großherzog Ernst Ludwig in die Künstlerkolonie Mathildenhöhe berufen und blieb dort bis 1914. Von ihm stammen in Darmstadt u.a. die Löwen vor dem Hessischen Landesmuseum (um 1914), das Liebig-Denkmal (1913) und das Leibgardistendenkmal am Schlossgraben (1928). Die Porträtbüste stellt den Keramiker Jakob Julius Scharvogel (1854-1938) dar. Bereits 1901 und 1904 hatte dieser seine Werke auf der Mathildenhöhe ausgestellt. Eine Spezialität von ihm war die monumentale Baukeramik. Ab 1904 baute Scharvogel die Großherzogliche Keramikmanufaktur auf, die 1906 ihren Betrieb aufnahm, aber 1913 wegen Unrentabilität geschlossen werden musste. Dennoch hat er in den Jahren seines Wirkens das Stadtbild Darmstadts entscheidend mitgeprägt. Im Jugendstilbad, im Hauptbahnhof und im Christoph-Lichtenberg-Haus (ehemals Haus Hagenburg, Umbau 1909-11) finden sich bis heute Bauteile aus der Keramikmanufaktur. Am bekanntesten sind heute die Bauplastiken an den Kuranlagen in Bad Nauheim.
Daher überrascht es nicht, dass Scharvogels von Jobst geschaffene Büste 1910 für das Großherzogliche Museum auf der Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes in Darmstadt durch Großherzog Ernst Ludwig erworben wurde. Als Leihgabe kam sie 1936/37 in die damals neu gegründeten Städtischen Kunstsammlungen Darmstadt auf die Mathildenhöhe und wurde im Landesmuseum nach 1945 versehentlich als Kriegsverlust verzeichnet. Alle Unterlagen zum Leihvorgang waren 1944 mit dem Museumsarchiv verbrannt.