Prüfung von Neuzugängen: Die Schenkung Kleinstück

Ernest Lumsden, Forth Bridge, Radierung (1909)
Ernest Lumsden, Forth Bridge, Radierung (1909)

Im Jahr 2022 erhielt das Hessische Landesmuseum Darmstadt 121 Druckgrafiken von überwiegend englischen und US-amerikanischen Künstlern der Zeit um 1900 aus der Sammlung Kleinstück geschenkt. Dies ist ein bedeutender Zuwachs für die Sammlung, sind doch die wenigen im Museum ehemals vorhandenen Grafiken dieser Art fast alle 1944 verbrannt. Die Neuzugänge wurden hinsichtlich eines möglichen NS-verfolgungsbedingten Entzuges geprüft. Bei keinem Blatt konnte ein solcher Entzug nachgewiesen werden. Als Glücksfall für die Provenienzforschung erwiesen sich neben den auf den Grafiken befindlichen Sammlerstempeln, die u.a. von Heinrich Stinnes (1867-1932), Otto Gerstenberg (1848-1935) und Richard Jung (1911-1986) stammen, die Aufschriften auf vielen Passepartouts. Fast alle der 38 ehemals aus der Sammlung von Heinrich Stinnes stammenden Blätter befanden sich noch in ihren originalen Passepartouts, die unten rechts eine charakteristische Beschriftung aufweisen. Hier stehen nicht nur Angaben zum Künstler und zum Sujet, sondern auch solche zum Ort und Zeitpunkt des Ankaufs und zum Preis. So ist auf dem Passepartout zu Ernest Lumsdens „Forth Bridge“ die Provenienz „E Richter 1912“ vermerkt. Stinnes hatte die Radierung demnach 1912 im Kunstsalon Emil Richter in Dresden für 63 Mark erworben. Auf dem Passepartout von Charles Watsons „L‘étameur, St. Riquier“ ist „Abels 1912“ angegeben. Stinnes kaufte das Blatt also 1912 an seinem Wohnort Köln für 120 Mark in der Kunsthandlung Hermann Abels. Doch Stinnes‘ Sammlung, die bei seinem Tod 1932 rund 200.000 Blätter umfasst haben soll, wurde von seinen Erben ab 1933 nach und nach verkauft. Nur eines der ins HLMD gelangten Blätter konnte in einer Nachlassauktion, die im November 1936 bei Hollstein & Puppel in Berlin stattfand, nachgewiesen werden. Die Frage nach der Provenienz der anderen Grafiken ab 1933 muss daher bis auf weiteres offenbleiben. Wann gaben die Stinnes-Erben sie in den Handel? Und wer kaufte sie? Leider haben die späteren Besitzer nicht auf den Passepartouts vermerkt, wo und von wem sie die Blätter erworben hatten. Stinnes‘ Sammlung als Ganzes ist noch unerforscht und so ist zu hoffen, dass in der Zukunft weitere Informationen zur Provenienz dieser und anderer Blätter zu Tage kommen.

Ausstellung

Eine Auswahl von 80 Blättern wird vom 27.6.-20.9.2024 in der Ausstellung „Graphic revival. Natur, Mensch, Industrie in England um 1900“ im HLMD ausgestellt. Es gibt ein E-book Öffnet sich in einem neuen Fensterzum downloaden:

Udo Felbinger

 

Charles Watson, L’étameur, St. Riquier, Radierung (1911)
Charles Watson, L’étameur, St. Riquier, Radierung (1911)

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