Julius Schnorr von Carolsfeld, Die drei Marien am Grabe, 1820, Inv. HZ 4266

Das HLMD und die Sammlung Heumann

Veröffentlicht am 7. Juli 2022

Zwei Zeichnungen

In der Graphischen Sammlung des HLMD befinden sich zwei Zeichnungen von Johann Martin von Rohden und von Julius Schnorr von Carolsfeld, welche die Kustodin Gisela Bergsträsser am 29. November 1957 auf der Auktion der Sammlung Heumann bei Ketterer in Stuttgart für das Museum erwarb. Die kürzlich erfolgte Überprüfung der Provenienzen brachte eine Fülle von Material zu Tage, darunter das annotierte Handexemplar des Katalogs aus der Museumsbibliothek, in dem sich ein Auktionsbericht der Zeitung „Die Welt“, die Platzkarte für „Dr. Bergsträsser“ im Auktionssaal sowie weitere Zettel befinden.

Die Auktion

Die Auktion der Sammlung des Chemnitzer Bankiers Carl Heumann hatte eine Vielzahl von kaufinteressierten Sammlern, Händlern und Museumsvertreten nach Stuttgart gelockt. Präsent waren u.a. die Kunsthalle Bremen, das Berliner Kupferstichkabinett, das Frankfurter Städel und das Münchener Lenbachhaus. Von den Galerien waren Boerner und Nathan vertreten sowie die Sammler Prinz Ernst von Sachsen und ein „Hohenzollernprinz“. In 472 Losen wurde ein großer Teil der Sammlung von den drei Erben Heumanns versteigert. Das finanziell oft klamme Hessische Landesmuseum ersteigerte immerhin die Lose 292 „Italienische Landschaft“ von Rohden und 322 „Die drei Marien am Grabe“ von Schnorr von Carolsfeld. Dem Zeitungsbericht in „Die Welt“ vom 6. Dezember 1957 sind auch einige Informationen über den Sammler selbst und sein Schicksal zu entnehmen: Er starb kurz vor Kriegsende bei dem Versuch, Bilder aus dem Oberstock seines von Bomben getroffenen Chemnitzer Hauses zu bergen. Nur durch seinen Tod entging Carl Heumann der Deportation nach Theresienstadt, denn er war jüdischer Abstammung. Seine Sammlung deutscher Zeichnungen der Zeit von 1750 bis 1850, die er nach dem 1. Weltkrieg aufgebaut hatte, überstand den NS-Terror und den Krieg hingegen unversehrt in einem Banktresor. Dem von der US-Armee aus der Zwangsarbeit befreiten Sohn wurde die Sammlung von der russischen Besatzungsmacht ausgehändigt, so dass es ihm möglich war, sie in den Westen zu bringen.

Johann Martin von Rohden, Italienische Landschaft, um 1825, Inv. HZ 4265
Johann Martin von Rohden, Italienische Landschaft, um 1825, Inv. HZ 4265

Mit dem Verkauf löste sich die bekannte Sammlung, die 1930 in Chemnitz, 1933 in Breslau, 1934 in Leipzig und zuletzt 1937 im Rahmen der Ausstellung „Zeichenkunst der deutschen Romantik“ in der Wiesbadener Gemäldegalerie gezeigt worden war, weitestgehend auf. War bei den ersten drei Präsentationen, die sich in der Auswahl der Exponate von Ort zu Ort unterschieden, Heumanns Name noch genannt, so verschwieg man ihn bereits 1937 im von Juliane Harms bearbeiteten Ausstellungskatalog. Die Vermutung, dass Gisela Bergsträsser, die seit 1936 als Volontärin am HLMD arbeitete, die Ausstellung in Wiesbaden besucht hat und daher über eine genauere Kenntnis der Sammlung verfügte, ist naheliegend. In einem Interview anlässlich ihres 80. Geburtstages 1991 sagte sie: „und dann interessierten mich damals auch die Zeichnungen (…). Der damalige Kustos war als Jude entlassen worden und dafür interessierte sich von den anderen keiner so furchtbar. Da bin ich dann oft hingegangen und habe die Zeichnungen angeguckt“. Aber auch Erich Wiese, bis zu seiner Entlassung durch die Nationalsozialisten 1933 Direktor des Museums der schönen Künste in Breslau, kannte die Sammlung, weil sie noch in genau diesem Jahr dort gezeigt worden war. Wiese, der von 1950 bis 1959 als Direktor des HLMD amtierte, scheint sich bei Ankäufen gerne für Objekte entschieden zu haben, die er bereits aus seiner früheren Laufbahn kannte. Laut dem von Bergsträsser akribisch annotierten Auktionskatalog kaufte Wiese für seine persönliche Sammlung eine Zeichnung von August Richter. Aus Wieses Sammlung gelangte später die Zeichnung „Der Rhein bei St. Goar“ von Carl Gustav Carus in die Sammlung des HLMD.

Udo Felbinger