Jacob Jordaens und die vielen „Anbetungen der Könige“

Veröffentlicht am 29. September 2023

Gemälde der Geburt Christi.
Jacob Jordaens, Die Anbetung der Könige, 1643/44

Manchmal nimmt die Recherche nach der Provenienz eines Gemäldes lange Wege und bleibt doch bis zum Ende offen. Ein Beispiel dafür ist die Recherche zu Jacob Jordaens Anbetung der Könige, seit 1968 im Bestand der Staatlichen Kunstsammlungen Kassel (Heute Hessen Kassel Heritage). 

Von Hirten und Königen

Erste Hinweise auf die Provenienz des Jacob Jordaens (1593-1678) zugeschriebenen und unsignierten Gemäldes Anbetung der Könige (Datierung vermutlich um 1643/44, Größe 156,5 x 115,5 cm) fanden sich in der Bildakte. Nach deren Durchsicht konnte festgestellt werden, dass die Staatliche Kunstsammlung Kassel das Gemälde im Mai 1968 bei der Londoner Kunsthandlung F. Teltscher LTD. erwarb. Zwei weitere Schreiben liegen der Akte bei; zum einen ein handschriftlicher Brief datiert auf 1982 von einem Dr. H. Kropik aus Bad Aibling der berichtet, einmal Besitzer des Gemäldes gewesen zu sein und es in den englischen Kunsthandel verkauft zu haben. Allerdings gibt es in seinem Brief eine Verwechslung mit dem Titel, das als Anbetung der Hirten bezeichnete Gemälde, soll laut Schreiben ein Modell für ein in Diksmuide (Belgien) zerstörtes Altarbild von Jacob Jordaens gewesen sein. Zum anderen liegt der Bildakte ein kleiner handschriftlicher Zettel zur „Herkunft lt. Angaben des Kunsthändlers“ von 1968 bei. Darauf wurde notiert, dass sich das Gemälde in einer „Sammlung Marignan(e?) in Frankreich“ befunden haben soll und später in Turin in die Galleria Caretto gelangte, von wo aus es von der Kunsthandlung F. Teltscher in London erworben wurde. Diese Hinweise galt es zu überprüfen, denn sie reichen nicht als Beleg der Provenienz. Allerdings ließen sich in Archiven, Literatur und Datenbanken zu den Angaben in der Bildakte keine entsprechenden Belege finden. Es gab lediglich die Bestätigung der Galleria Caretto, wonach der Vater des heutigen Inhabers das Gemälde an einen „Mr. Kropik“ verkauft hatte. Dokumente dazu oder Informationen wo Caretto das Bild erworben hatte, gibt es bislang jedoch nicht.

Spurensuche im 18. Jahrhundert

 

Da die Recherchen an diesem Punkt nicht weiterkamen, wurde nach einer Erwähnung des Gemäldes in der kunsthistorischen Literatur ab dem Moment seiner Entstehung gesucht. Eine Werkidentität ließ sich jeweils anhand der Beschreibungen, des Titels und der Größenangaben vermuten. Es konnten fünf mutmaßliche Besitzer eines Gemäldes der Anbetung der Könige im 18. Jahrhundert in verschiedenen Versteigerungskatalogen in Den Haag und Amsterdam ausfindig gemacht werden. Erstmals erwähnt wurde 1743 ein Gemälde aus dem Nachlass des verstorbenen Seger Tierens (1657-1743) mit dem Titel „De Offerhande der drie Koningen aan Christus vol Figuuren“ welches in Den Haag versteigert werden sollte.1 Im Juni 1765 kam ein Gemälde aus dem Besitz von Pieter Leendert de Neufville der Ältere (1729-1774) in Amsterdam unter dem Titel „De Offerhanden der Wyzen uit het Ooften te Bethlehem“ zur Versteigerung.2 1777 fand eine weitere Auktion statt, auf der das Gemälde „l‘Adoration des Rois“ für 530 Gulden aus dem Nachlass von Nicolas Nieuhoff (1730-1776) an Jan Wubbels (ca. 1728-1791) überging.3 Auf der Nachlass-Auktion von Jan Wubbels im Juli 1792 erwarb laut Annotation Pierre Fouquet (1729-1800) das Bild. Der Katalog beschreibt das 62 x 45 Duimen große Gemälde „Aanbidding der drie Koningen“ von „J. Jordaans“ mit folgenden Worten: „Dieses Werk stellt die Anbetung der Heiligen Drei Könige dar, auf der linken Seite sitzt auf einer Ebene Maria mit dem Jesuskind, im Vordergrund kniet einer der Heiligen Drei Könige und bringt Gaben dar, während ein anderer kniet und Weihrauch darbringt: Dieses Werk ist sehr kunstvoll, reich an Ordnung und in der Manier von Rubens gemalt.“4 Das Gemälde konnte im Zuge der Recherchen nicht weiter im Besitz oder bei Versteigerungen des Amsterdamer Kunsthändlers Pierre Fouquet ausgemacht werden, der 1800 in Amsterdam verstirbt. Hier verliert sich vorerst die Spur.

Text-Ausschnitt einer Nachlass-Versteigerung
Annotierter Katalog „Fouquet“. Catalogus van een fraay Kabinet Schilderyen der Nachlass-Versteigerung von Jan Wubbels in Amsterdam (Phillipus van der Schley en Ten Kate) am 16.07.1792.

Das verschollene Altarbild in Diksmuide

Die Herausforderung bei der Recherche in Versteigerungskatalogen ist, dass unzählige Darstellungen des Motivs der Anbetung der Könige existieren und zahlreiche Versionen davon Jacob Jordaens direkt zugeschrieben werden oder als ihm nachempfunden gelten. Des Weiteren lässt sich nicht genau bestimmen, seit wann das Kasseler Gemälde dem Künstler zugeschrieben wird. Gesichert ist, dass sich ein Altarbild aus Diksmuide, welches in der Darstellung identisch mit dem hier zu besprechenden Gemälde ist, dem Künstler eindeutig zuordnen lässt. Die sich bis Oktober 1914 in der St. Nikolaus Kirche in Diksmuide befindliche Version der Anbetung der Könige war über doppelt so groß, signiert und datiert (1644). Das Altarbild verschwand im Ersten Weltkrieg, ob es zerstört oder gestohlen wurde, ist unklar.

Abbildung des Altarbildes in der Sankt Nikolauskirche in Diksmuide
Max Rooses: Jordaens Leben und Werk, Antwerpen 1906. Abbildung des Altarbildes in der Sankt Nikolauskirche in Diksmuide (verschollen).

Weitere Darstellungen

In der Literatur wird davon ausgegangen, dass es sich bei dem Kasseler Gemälde um ein Modell für das Diksmuider Altarbild handelt. Neben diesem existiert noch ein drittes Gemälde mit exakt derselben Darstellung und einer ähnlichen Größe (172,1 x 133,1 cm). Es befindet sich seit 1850 im Musée des beaux-arts in Dunkerque. Dazu kommen zahlreiche weitere Darstellungen mit sehr ähnlicher Komposition, die Jacob Jordeans zugeschrieben werden. Im Museum Platin-Moretus in Antwerpen befindet sich beispielsweise eine Zeichnung signiert und vom Künstler auf 1654 datiert. Es könnte sich um eine modifizierte Studie nach dem hier besprochenen Gemälde handeln, ein Hinweis dafür, dass der Künstler sich auch nach Fertigstellung des Altarbildes weiter mit der Thematik befasste, was zu noch weiteren Darstellungen dieser Komposition geführt haben könnte. Ebenfalls ist möglich, dass das Kasseler Werk nicht von Jacob Jordaens selbst, sondern seinem Umkreis, stammt.

Die Rückseitenuntersuchung

Die Autopsie des Keil- und Zierrahmens bestätigte die in der Bildakte vorgefundenen Angaben. Auf der Rückseite des Zierrahmens befindet sich die Aufschrift „Teltscher“ in weißer Kreide und „Caretto“ in blau. Ferner befinden sich noch Brandstempel, Zahlen und Aufkleber auf der Rückseite, deren Bedeutung bisher noch unklar sind.

Collage der Bildrückseite Jacob Jordaens "Die Anbetung der Könige" von 1743/44

Die Londoner Kunsthandlung F. Teltscher

Von hier an galt der nächste Schritt der personenbezogenen Recherche. Von besonderer Relevanz war die Kunsthandlung F. Teltscher in London. Der aus der Tschechoslowakei stammende Kaufmann Fritz (Fred) Teltscher (1904-1966) war aufgrund seiner Religionszugehörigkeit 1939 vor den Nationalsozialisten von Brünn über Prag nach London geflohen und hatte sich dort als Spezialist für Alte Meister eine neue Existenz aufgebaut. Seine Frau Hedwig und sein Sohn Thomas wurden nach Theresienstadt deportiert und 1943 ermordet. Fritz Teltscher erhielt 1947 die britische Staatsbürgerschaft und arbeitete als erfolgreicher Kunsthändler in London. Seine Galerie in der Crawford Street 17 wird nach dem Zweiten Weltkrieg ein wichtiger Treffpunkt für Deutsche und Österreichische Kunsthändler*innen.5 Nach seinem Tod im Jahre 1966 führte seine zweite Ehefrau die Galerie fort. Sie war es auch, die das Gemälde 1968 nach Kassel verkaufte. Bisher konnte kein Nachlass von Fritz Teltscher ausfindig gemacht werden. Ferner ist bisher noch unerforscht, wie er in Verbindung mit dem Londoner, aber auch mit dem deutschen Kunsthandel stand. Auffallend ist, dass viele in den 1930er Jahren aus Deutschland und den besetzen Gebieten nach England emigrierte Kunsthändler*innen zumeist unter dem Radar laufen und kaum noch Erwähnung finden. Lucy Wasensteiner vermutet, dass es zumindest in Deutschland um den Schutz von Verwandten und Freunden ging und man der Bewegung gegen jüdische Emigrant*innen in England keinen Vorschub liefern wollte.6

Plakat mit malendem Affen
Ausschnitt Weltkunst, 1. Juli 1967, XXXVII, Nr. 13, S. 622. Anzeige der Kunsthandlung F. Teltscher.

Wer ist Dr. Heinrich Josef Kropik?

Den Hinweisen der Bildakte folgend, verkaufte vermutlich die Galleria Caretto in Turin das Gemälde an Herrn Kropik, der es nach eigenen Angaben in den Londoner Kunsthandel verkaufte. Es bleibt offen, ob es sich dabei um die Kunsthandlung F. Teltscher handelt, bei der das Gemälde spätestens 1968 nachweisbar ist. Der aus Wien stammenden Dr. Heinrich Josef Kropik (1910-1988) studierte Jura in Prag und arbeitete noch 1938 als Beamter in Wien. 1939 emigrierte er verfolgungsbedingt aus Prag über Spanien nach Brasilien, wo er spätestens im Februar 1943 in Rio de Janeiro ein Antiquariat eröffnete. Er verließ das Land allerdings kurze Zeit später und emigrierte über Paraguay nach Argentinien. Ab 1958 war er in Deutschland gemeldet, allerdings konnten trotz intensiver Recherchen keine Quellen zu seiner beruflichen Tätigkeit ausfindig gemacht werden. Von daher bleibt unklar, wie seine Verbindungen in den Kunsthandel aussahen.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir trotz vieler Recherchen über das Kasseler Gemälde von Jacob Jordaens wenig wissen. Durch die sehr schwierige Quellenlage und die große Verwechslungsgefahr mit ähnlichen Darstellungen in Versteigerungskatalogen lässt sich die Provenienz des Gemäldes zwischen 1933 und 1945 bisher nicht klären. Hinweise auf einen NS-verfolgungsbedingten Entzug liegen nicht vor, allerdings kann dieser auch nicht ausgeschlossen werden.

Larissa Engler

Quellen

1Vgl. Catalogus van Schilderyen van Seger Tierens, Advocaat voor de respective Hoven van Justitie, verkogt den 23 July 1743 in’s Hage, Nr. 93. Größe „4 vuit, 2 duimen x 5 vuit, 3 duimen“.

2Vgl. Catalogus van Schilderyen van wylen de Heer Peter Leendert de Neufville, den Ouden, verlogt den 19 Junii 1765 binnen Amsterdem, Nr. 48, S. 471-472. Größe „61,5 x 45,5 duimen“.

3Pierre Yver: Catalogue d’un Precieux de Tableaux, de Desseins & d’e Stampes. Nicolas Nieuhoff. Premiere Partie, 14. d’Avril 1777 a Amsterdam. Chez Pierre Yver, Nr. 98, S. 42-43. Größe „62x45 pouces“.

4„Dit Stuk verbeeld de aanbidding der drie Koningen, aan der linker zyde op eene hoogte zit Maria het Kindje Jesus, op de voorgrond knield een der Koningen die geschenken ann bied, en een ander die wierook Offert: dit stuk is zeer uitvoerig, ryk van ordonnantie, en in de manier van Rubens, geschilderd.“ Aus: Catalogus van een fraay Kabinet Schilderyen, Jan Wubbels, Amsterdam (Phillipus van der Schley en Ten Kate) 16.07.1792, Nr. 174, S. 30.

5Vgl. Weltkunst, Januar 1967, S. 129.

6Vgl. Wasensteiner, Lucy: The Twentieth Century German Art Exhibition. Answering Degenerate Art in 1930s London, New York 2019, S. 76.