Jakob Fürchtegott Dielmann (FFM 1809-1885 FFM) - Weinlese (1849) Aquarell mit Bleistift (Nr. 186)

Wer war „Frl. M.“?

Veröffentlicht am 7. Juli 2022

Das Hessische Landesmuseum Darmstadt erwarb auf der Auktion am 20. Mai 1941 im Frankfurter Auktionshaus Wilhelm Ettle zwei Blätter des Frankfurter Künstlers Jakob Fürchtegott Dielmann (1809-1885), die unter den Nummern 186 „Die Weinlese“ (1849) und 188 „Titelblatt zu einem Kinderalbum“ (1862) angeboten worden waren.

Der Einlieferer

Einlieferer der Objekte ist laut Auktionskatalog „Frl. M.“ In der Zeit des Nationalsozialismus war die namentliche Kennzeichnung von Auktionslosen mit Kürzeln Teil der Überwachungsmechanismen des Kunstmarktes durch die Reichskulturkammer. Die Auktionshäuser mussten für jede Versteigerung eine Genehmigung einholen und dazu Listen der zu versteigernden Objekte samt Namen und Adresse der Einlieferer einreichen.

Jakob Fürchtegott Dielmann (FFM 1809-1885 FFM) - Titelblatt zu einem Kinderalbum (1862) Feder Aquarell Deckfarben (Nr. 188)
Jakob Fürchtegott Dielmann (FFM 1809-1885 FFM) - Titelblatt zu einem Kinderalbum (1862) Feder Aquarell Deckfarben (Nr. 188)

Für die vorliegende Auktion ist dieser Antrag leider nicht erhalten geblieben. Da vom Auktionshaus selbst auch keine Unterlagen mehr auffindbar sind, konnte die Identität von Frl. M. bislang nicht entschlüsselt werden.

Was sagen die Rückseiten?

Doch immerhin geben die Blätter selbst eine Information über ihre Provenienz: Zwei Stempel auf den Rückseiten (Lugt 1367) belegen, dass sich die Blätter zuvor in der Sammlung des Frankfurters Heinrich Stiebel befunden hatten. Stiebels umfangreiche Sammlungen von Kunst sowie Autographen und Frankofurtensien wurden zwischen Dezember 1928 und Mai 1930 bei Joseph Baer & Co. und F. A. C. Prestel versteigert. Jedoch finden sich die beiden Dielmann-Blätter nicht in den insgesamt sechs Auktionskatalogen.

Die beiden Blätter sind typische Beispiele für das Kunstschaffen in der Mitte des 19. Jahrhunderts, als humoristisch gefärbte Grafiken sehr beliebt waren. Vermutlich sind beide Werke zur Vervielfältigung im Farbdruck geschaffen worden – insbesondere trifft dies für das Titelblatt für ein illustriertes Kinderbuch zu.

Diese Art von Kunst war in der Zeit des Nationalsozialismus sehr beliebt und wurde viel gehandelt. An diesem Handel beteiligte sich auch der Auktionator Wilhelm Ettle, der einerseits vom Versteigern als auch von der Unterschlagung des von Behörden konfiszierten Eigentums der Frankfurter Juden lebte.

1929 war Ettle der SA und 1932 der NSDAP beigetreten. Er agierte ab 1938 als Sonderbeauftragter der Reichskulturkammer bei der Taxierung des Eigentums von Auswanderern und Deportierten. Wegen Unterschlagung wurde 1941 ein Verfahren gegen Ettle eingeleitet, was 1944 zum Berufsverbot führte.

Ettle gehört zu den wenigen Händlern, die nach dem Ende der NS-Herrschaft für ihre Taten vor Gericht gestellt und verurteilt wurden. 1946 wurde er zu sieben, seine Frau Anni zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Wegen seiner skrupellosen Praktiken gelten die von ihm durchgeführten Auktionen hinsichtlich des Verkaufs von NS-Raubkunst als besonders verdächtig. Mangels weiterer Quellen bleibt die Provenienz der beiden Blätter bis auf weiteres lückenhaft.

Udo Felbinger