In der Sammlung des HLMD befinden sich gegenwärtig zwei Gemälde des Malers John William Godward (1861-1922), dessen Schaffen erstmals umfangreich durch das 2018 erschienene Werkverzeichnis von Vern Grosvenor Swanson dokumentiert worden ist. Während das Gemälde „Yes or No“ (1893) immer als Werk Godwards gegolten hat und eine lückenlose unverdächtige Provenienz besitzt, liegt die von „Unexpected arrival“ (1891) bis heute weitgehend im Dunklen.
Das Gemälde zeigt eine junge Frau in antiker Kleidung auf einer Terrasse über dem Meer. Auf der rechten Seite kommt ein junger Mann eine Treppe heraufgestiegen. Im Hintergrund ist noch ein Teil eines Schiffes zu sehen, das ihn hergebracht hat. Das Werk war 1965 vom Museum als Werk von Fredrick Lord Leighton (1830-1896) erworben worden. Eine auffällige Signatur befand sich ehemals auf dem Postament am rechten Rand des Bildes. Doch im Laufe der Jahre mehrten sich die Zweifel an der Urheberschaft Leightons. Es war u.a. bekannt geworden, dass Leighton bereits seit den 1860er Jahren seine Werke gar nicht mehr signiert hatte. Zudem gleicht die heute entfernte Aufschrift überhaupt nicht den bekannten Signaturen Leightons. Im Werkverzeichnis von Swanson ist eine zweite Version von „Unexpected arrival“ abgebildet, bei der allerdings der junge Mann fehlt. Kürzlich durchgeführte Recherchen ergaben, dass sich diese Version 1995 im Düsseldorfer Kunsthandel befunden hat. Hier findet sich die richtige Zuweisung an Godward, aber nicht die falsche Signatur. Es ist also anzunehmen, dass das Anbringen der falschen Leighton-Signatur auf dem Darmstädter Gemälde in der Absicht geschah, einen höheren Preis für „Unexpected arrival“ zu erzielen. Aber zu welchem Zeitpunkt ist dies geschehen? Seit wann zirkulierte das Gemälde als Leighton und verlor seine Provenienz? Beide Godward-Gemälde waren 1965 beim Londoner Kunsthändler Walter Mela erworben worden. Es ist aktuell nicht festzustellen, ob noch Geschäftsunterlagen existieren, welche die Herkunft von „Unexpected arrival“ aufklären könnten.
Udo Felbinger
